2015_Wettbewerb_

Hessischer Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk 2015

 

Hessischer Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk auf der Tendence 2015 verliehen

 

Durchlässigkeit von Form, Licht und Relief

Die Preisträger 2015: Flechtgestalterin Diana Stegmann, Keramikgestalterin Doris Bank, Lichtkünstlerin Anke Neumann

 


Verleihung des Hessischen Staatspreises auf der Tendence 2015, Foto: Pietro Sutera, Messe Frankfurt GmbH

Zum 65. Mal jährt sich die Verleihung des Hessischen Staatspreises für das Deutsche Kunsthandwerk auf der internationalen Konsumgütermesse Tendence in Frankfurt. Der mit insgesamt 8.000 Euro dotierte Preis würdigt das künstlerische Schaffen in Kunsthandwerk und Design. Dieses Jahr sind alle drei Preisträgerinnen mit ihren Objekten auf dem Areal des Talents-Förderprogramms Modern Crafts anzutreffen.

Der erste Preis zeichnet die Skulpturen der Flechtgestalterin Diana Stegmann aus. Gleich zwei Mal vergab die Jury den zweiten Preis - er ehrt die Keramikgestalterin Doris Bank und die Lichtkünstlerin Anke Neumann.

Die Jury besteht aus fünf renommierten Experten des gestaltenden Handwerks: Neben dem ersten Preisträger des letzten Jahres, Christoph Finkel, freischaffender Holzkünstler aus Bad Hindelang, sind das Adam Ryl, Preisträger des Jahres 2013 und tätig an der Werkakademie für Gestaltung im Handwerk Hessen in Kassel, ebenso wie Lutz Schell-Peters, der Leiter der Werkakademie und ebenfalls Jurymitglied ist. Als Referatsleiter Kultur- und Kreativwirtschaft, Medienwirtschaft und neue Medien vertritt Rolf Krämer das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung in Wiesbaden. Karin Bille spricht für die Beratungsstelle Formgebung der Arbeitsgemeinschaft Handwerkskammern Rheinland-Pfalz. Der älteste Staatspreis Deutschlands wurde durch Staatssekretär Mathias Samson, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, sowie Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt GmbH, verliehen.

„Gute Form ist nachhaltig; In ihr drückt sich Kreativität ebenso aus wie Achtung vor dem Material", formulierte Staatssekretär Samson in der Feierstunde am Montagabend in der Galleria der Messe Frankfurt. „Design ist aber auch ein Faktor, der über den Erfolg eines Produkts entscheiden kann. Mit ihren durchdachten und perfekt umgesetzten
Gestaltungsideen geben Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker schöpferische Impulse für viele andere Branchen. Daher ist die Unterstützung des Kunsthandwerks nicht nur Kultur-, sondern auch Wirtschaftsförderung."

Detlef Braun betonte als Gastgeber die Tradition der Vergabe des Staatspreises und die hohe Qualität der Werke: „Es freut mich sehr, dass der älteste Staatspreis  Deutschlands hier bei uns in Frankfurt auf der Tendence überreicht wird. Das unterstreicht auch den Stellenwert, den das Thema Kunsthandwerk für die Tendence hat. Die heutigen Preisträger haben mit ihren Arbeiten gezeigt, was das gestaltende Handwerk leistet: Es verbindet künstlerische Kreativität mit handwerklichem Können und das auf höchstem Niveau. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zur Vielfalt der Messe und ist Inspirationsquelle für Handel und Industrie".


1. Preis: Skulpturales Weidengeflecht mit Bodenhaftung

Diana Stegmann, Flechtarbeit
Diana Stegmann, Flechtarbeit, Foto: Pietro Sutera, Messe Frankfurt GmbH

Die Jury zeichnet die Arbeit von Diana Stegmann mit dem 1. Platz des Hessischen Staatspreises für das Deutsche Kunsthandwerk aus. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass Stegmann mit ihrer kreativen Neugier eine der ältesten Handwerkstechniken - das Flechthandwerk - neu interpretiert habe. Sie schaffe es, dass die Weidenflechterei über die sonst erlebte Funktionalität handwerklich weit hinausgehe. Ihre Objekte seien eine hervorragend gelungene Kombination aus handwerklicher Tradition und künstlerischer Moderne. Als Korbflechterin kann man Diana Stegmann tatsächlich nicht bezeichnen. Eher als Virtuosin in der Flechtkunst, die ihr an der Staatlichen Berufsfachschule für Korbflechterei in Lichtenfels gelerntes Handwerk mit einem tiefen Verständnis für die Form verbindet und konsequent weitertreibt. „Der Begriff ´Korb´ weist zu sehr auf die Verwendung des Objekts hin - mir geht es in erster Linie um das Material, mit dem ich arbeite: die Weide." Stegmann konzentriert sich bei ihrer Materialwahl auf die Weidenrute, da sie traditionell in Europa vorkomme und verarbeitet werde und - trotz eines erstaunlichen Farbspektrums der Objekte - von Stegmann nur in unbehandelter Form Verwendung findet.

Diana Stegmann, Wendland
Diana Stegmann, freischaffende Flechtgestalterin, Wendland, Foto: Pietro Sutera, Messe Frankfurt GmbH

Auch technisch entfernt sich Stegmann radikal von der Flechtkunst. Sie verwendet hauptsächlich die Spitzen, und nicht wie traditionell üblich, die längeren Ruten der Weide. In ein Geflecht aus vertikalen Staken arbeitet sie die verhältnismäßig kurzen, daher schwer zu verankernden Weidenspitzen horizontal ein. Sie ragen in festgelegter Länge spitz aus dem Objektkörper heraus, „geben die Innenform nach außen" und stellen für Stegmann eine „sichtbar gemachte flechterische Bewegung" dar. Die geschwärzten Enden der Spitzen verstärken die Wirkung der nach außen getragenen Form zusätzlich. „Meine Objekte sind auf ihre Art sperrig, sie haben etwas Kontroverses in sich." Jede Seite zeigt sich anders, bei manchen Objekten ist erst in der Draufsicht die wahre Gestalt des Objekts erkennbar. Für die Jury steht fest: „Stegmann versteht es meisterhaft, ihre hohe handwerkliche Kompetenz und ihre kreative Gestaltungskraft im Zusammenspiel von Flechten und Material einzusetzen. In jedem ihrer Objekte manifestiert sich eine erstaunliche Kunstfertigkeit und eine hohe Materialästhetik. Die geflochtene Gesamtform des Körpers ist in sich organisch und fließend und vereint den Gegensatz einer weichen Flechtform und einer stacheligen Außenoberfläche in einer außergewöhnlichen Art und Weise."

2. Preis: Filigranes Papier- und Lichtwerk - zwischen Tradition und Moderne

Anke Neumann, Lichtpapier
Anke Neumann, Lichtpapier, Foto: Pietro Sutera, Messe Frankfurt GmbH

Die Lichtkünstlerin Anke Neumann erhält ebenfalls den zweiten Platz des Staatspreises. Neumann überzeugte die Jury mit der Formensprache ihrer Lichtskulpturen oder -flächen, ihrer Kombination aus filigranem Papier und Licht: „Hier wird noch Handwerk und Kunst betrieben, und jede Leuchte ist ein handgefertigtes Kunstobjekt. Handgemachtes Papier wird auf ungewohnte Weise zum Leuchten gebracht. Modifizierte, optische Fasern transportieren das Licht, einer Zeichnung ähnlich, durch die Papierfläche hindurch und erzeugen vielfach ausdruckstarke Stimmungen."
Als Facharbeiterin für Textiltechnik begann die Ausbildung von Anke Neumann, bei der sie ihr „Faible für Fasern" entdeckte. Ein Papier-Workshop im Studium gab den Ausschlag, sich mit diesem Werkstoff intensiver auseinanderzusetzen und die Tradition des Papierschöpfens aufzugreifen: „Ich bin der Meinung, Menschen müssen mit den Händen arbeiten." Heute arbeitet die studierte Designerin in eigener Werkstatt in Chemnitz. Sie lässt aus Papierfasern ganze Flächen oder umhüllende Papierformen entstehen, die mit filigran eingearbeiteten Lichtleitfasern durchzogen werden. Anders als in der herkömmlichen Nutzung der Lichtleiter vorgesehen, bearbeitet Neumann die Licht-Fäden, modifiziert sie derart, dass Licht bewusst unterwegs verloren geht: „Ich mache das Prinzip der Übertragung von Licht sichtbar." Dazu leitet sie Licht über Papier weiter, experimentiert mit dem Zusammenspiel zwischen Material und Licht - und schlägt damit eine Brücke zur Moderne. „Mir ist es wichtig, dass es eine Einheit ist - nicht nur die Struktur im Papier, sondern dass die Objekte eine Stimmung erzeugen. Das Licht macht ja etwas mit einem."

Anke Neumann, Lichtpapier, Chemnitz
Anke Neumann, freischaffende Künstlerin, Chemnitz, Foto: Pietro Sutera, Messe Frankfurt GmbH

Die Jury findet dafür folgende Worte: „Diese Kombination aus Licht und Papier macht es möglich, der Tradition des Handpapiermachens neue Impulse zu geben. Licht befindet sich damit im und nicht auf dem Papier und lässt Lichtskulpturen entstehen, die im Raum zu schweben scheinen und ihm Magie und Poesie verleihen."

2. Preis: Transluzentes Porzellan in schlichter Form und aufwändiger Verarbeitung

Doris Bank, Porzellan
Doris Bank, Porzellan, Foto: Pietro Sutera, Messe Frankfurt GmbH

Aus dem Bereich der Keramikgestaltung kommt die Preisträgerin Doris Bank aus Miltenberg, die sich den zweiten Platz des Staatspreises mit Anke Neumann teilt. Die filigranen und handgefertigten Stücke der Keramikdesignerin überzeugten die Jury durch die Raffinesse des Entwurfs. Hier zeige sich die Beherrschung formaler Aspekte und feinfühliger Materialbehandlung in besonderer Weise: „Die Unikate wirken völlig unangestrengt und überzeugen in Form und Gestaltung." Tatsächlich werden Banks geradlinige Keramiken als sehr lebendig wahrgenommen und lassen Raum für eigenes Empfinden. Ihre Objekte verkörpern das Handgemachte, das Unikat. Dennoch sollen sie „schönes Geschirr sein" und benutzt werden können. Mit den Worten der Künstlerin gesagt: „Es lebt. Und das gefällt mir: Die Teile erhalten Lebendigkeit, weil die Teile machen, was sie wollen." Die Inspiration für die Formensprache ihrer Linie „Shade" zieht Bank aus der ihren Objekten eigenen „Imitation der Licht-Schatten-Wirkung": Bank setzt diesen Gedanken in einer schlichten, aber konzentrierten Gestaltung der Form um. Ihre Spannung erhalten die Werke durch den Kontrast der Dekoration - der dunklen Farbe - auf dem durchscheinenden, sehr weiß ausgearbeiteten Porzellan. Um diese Wirkung zu erzielen, wählt Bank hochwertiges Material als Rohstoff. Trotz der aufwändigen Verarbeitung ihrer Werkstücke nähert sich Bank zunächst spielerisch verschiedenen keramischen Materialien, experimentiert mit den Eigenschaften, sucht Grenzen, um sie zu durchbrechen.

Doris Bank, Keramikdesignerin
Doris Bank, Keramikdesignerin, Miltenberg, Foto: Pietro Sutera, Messe Frankfurt GmbH

Fazit der Jury: „Die prätentiöse Verarbeitung verstärkt dabei den Gesamteindruck. Hervorzuheben ist die sensible Oberflächengestaltung bei gleichzeitig herausragender handwerklicher Verarbeitung des Werkstoffes Porzellan. Es ist ein stringentes, innovatives Produktkonzept für Objekte, die oft auf ihre reine Gebrauchsfunktion reduziert sind."


Der Hessische Staatspreis
Der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk wurde 1951 als erster Staatspreis in Deutschland auf Anregung von Kunsthandwerk Hessen e. V. vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn gestiftet. Er wird traditionell im Rahmen der Frankfurter Konsumgütermesse Tendence verliehen.