Januar 2024


72. Hessischer Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk 2024

Am 26. Januar 2024 wurde der 72. Hessische Staatspreis für das deutsche Kunsthandwerk verliehen.
Der feierliche Festakt fand im Rahmen der internationalen Konsumgütermesse Ambiente statt, auf der bis zum 30. Januar die Ausstellung aller 25 nominierten Arbeiten zu sehen war.

Über den Award freuten sich Christoph Leuner, Philipp Gröninger und Dora Herrmann sowie über den Förderpreis die Newcomerin Emma Brix.


Während der Festveranstaltung (v.l.n.r.): Susanne Elstner, Marianne Kassamba, Kaweh Mansoori,Staatsminister für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum, Thomas Bäppler-Wolf, Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, Alexandra Gerlach, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum.


Preisträger*innen 2024 – Werk und Jurystatement

 

1. Preis: Christoph Leuner | Dosenobjekte „HOHL-KÖRPER“



Christoph Leuner (geb. 1956), Schreinermeister aus Garmisch-Partenkirchen, beschäftigt
sich schon lange mit dem Drechseln von Hohlkörpern: Dosenobjekte, in denen Menschen
Dinge aufbewahren, die für sie eine besondere Bedeutung haben – seien es ganz reale
Objekte oder auch Gedanken, Wünsche und Ideen.
Mit der neuen Hohl-Körper Serie #12 setzt er sich mit der Frage auseinander, ob das
Aufbewahren von bedeutungsvollem Inhalt auch ein wertvolles Material des Gefäßes
verlangt. Oder anders gefragt: Kann ein eher preiswertes, zweitrangiges Material auch
zum Hüter und Träger von Bedeutungen werden? Für die Dosen dieser Reihe wurden
Spanplatten und MDF-Platten miteinander verleimt und dann von Hand gedrechselt.
Dieses eher einfache Material künstlerisch so zu bearbeiten, dass die haptischen und
ästhetischen Reize hervortreten, war eine spannende Herausforderung. Die Jury zeigte
sich begeistert und erkannte Christoph Leuner einstimmig den ersten Preis des
Hessischen Staatspreises für das Deutsche Kunsthandwerk 2024 zu.

 

2. Preis: Philipp Gröninger | Handgeschmiedete Kaffeepresse aus Silber



Philipp Gröninger (geb. 1984) trat bereits früh in die Fußstapfen seines Vaters und hatte
schon als kleiner Junge seine eigene Werkbank. Seither beschäftigt er sich kontinuierlich
mit der Arbeit mit Edelmetallen und schafft anspruchsvolle Designstücke für die feine
Tafel. 2015 schloss er seine Berufsausbildung zum Gold- und Silberschmiedemeister ab,
bildete sich vielfach weiter und zog 2022 zog mit seiner Werkstatt nach Caan in den
Westerwald.
Gröningers anspruchsvolle Arbeiten sind geprägt von der Hingabe zu immer neuen
gestalterischen Herausforderung. In diesem Kontext entstand auch die
handgeschmiedete silberne Kaffeepresse mit dem hölzernen Griff. Sie besticht durch eine
gradlinige Formensprache und modernes Design. Elegant und trotzdem nicht mit dem
Nimbus des unberührbaren Silbers behaftet, verlangt sie gerade danach, in einer edlen
Küche zum Einsatz zu kommen. Die Jury zeigte sich fasziniert und vergab mit Freude den
zweiten Preis für diese Einreichung.



3. Preis: Dora Herrmann | Wolldecke | Label „Gemeinsam Regional“




Dora Herrmann (geb. 1965) ist Handweberin gründete 1993 die eigene Werkstatt im
Spritzenhaus in Wennigsen / Bredenbeck. In ihrer Arbeit ist sie stark in der Region
verankert. Aus diesem Ansatz heraus entstand das ausgezeichnete Produkt. Eine Decke
kann einen in einem Stück komplett umhüllen, bietet Schutz und stellt so eine Art
Zuhause zum Mitnehmen dar. Das ausgezeichnete Textil ist darüber hinaus mit dem
Begriff „Zuhause“ eng verbunden: Die Decke entstand unter dem Label „Gemeinsam
Regional“ firmiert. Im Rahmen dieser Kooperation arbeiten drei Frauen zusammen, die im
Umkreis von 20 Kilometern in der Peripherie von Hannover leben: eine Züchterin von
rauwolligen Pommerschen Landschafen, die Inhaberin der „kleinen Spinnerei“, die die
Schafwolle zu einem mitteldicken, zweifädigem Garn verarbeitet, und eine Handweberin,
die aus dem Material mit seiner eigenwilligen Struktur eine Decke webt, in der sich der
Farbenreichtum der kleinen Herde widerspiegelt.
Zum Hintergrund: In Deutschland werden kaum noch Garne produziert. Regionale Wolle
endet in der Regel als wertloser Abfall oder maximal als Dünger. Die preisgekrönte Decke
zeigt, auf, dass heimische Wolle durchaus ein hochwertiges, regionales Material darstellt,
aus dem besondere und nachhaltige Produkte entstehen können. Die Jury hat sich
einstimmig dafür ausgesprochen, den dritten Preis an Dora Herrmann zu vergeben und
will damit explizit auch auf das wichtige Thema einer achtsamen und regionalen
Produktion aufmerksam machen.



Förderpreis: Emma Brix  | „Luftschlösser“



Emma Brix (geb. 1997) hat 2023 ihr Bachelor-Studium an der Burg Giebichenstein
Kunsthochschule in Halle abgeschlossen. 2021 absolvierte sich ein Praktikum als
Gestalterin bei Emil A. Schalling KG Erzgebirgisches Kunstgewerbe in Seiffen, in dessen
Rahmen die ausgezeichnete Arbeit entstand. Darin widmet sie sich einem gut bekannten
Produkt, das bisher eher weniger im Fokus der jungen Generation stand.
Die erzgebirgische Weihnachtspyramide ziert in der Adventszeit viele Wohnungen – ein
bisschen altbacken, ein bisschen traditionell, ein bisschen heimelig. In ihrer Arbeit greift
Brix die gesamte Faszination der Weihnachtspyramiden auf und setzt diese in einen
neuen Kontext. Anstelle von Figuren drehen sich kleine reifengedrehte Häuser wie von
Zauberhand durch Torbögen hindurch. Brix „Luftschlösser“ entstehen in Kooperation mit
der Firma Emil A. Schalling. Das Besondere: Die saisonunabhängigen Designs können
das ganze Jahr hindurch zum Einsatz kommen. Dabei brauchen sie keine Kerzen,
sondern können einfach auf der Fensterbank oder dem Kaminsims stehen. Schon der
kleinste Luftzug setzt die „fliegende Stadt“ in Bewegung. Eine absolut gelungene
Mischung von Kunsthandwerk und Design befand die Jury und erkannte Emma Brix den
Förderpreis zu.






Der Hessische Staatspreis gilt als einer der wichtigsten und renommiertesten
Auszeichnungen für das deutsche Kunsthandwerk. In diesem Jahr wurde das Preisgeld von
8.500 Euro auf insgesamt 13.000 Euro angehoben. Kaweh Mansoori, Hessischer Minister
für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum, sagte bei der
Auszeichnung: „Allen Bewerberinnen und Bewerbern, die sich für den Hessischen
Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk beworben haben, möchte ich meine große
Anerkennung für Ihre Arbeit aussprechen. Sie spiegeln die Vielfalt des Kunsthandwerks mit
seiner tiefen Verbindung zwischen Tradition und Moderne, Individualität und Nachhaltigkeit
wider. Unsere Wertschätzung für die herausragenden Leistungen zeigen wir mit diesem
Preis und mit einer besonderen Veränderung ab diesem Jahr – der Erhöhung der
Preisgelder auf insgesamt 13.000 Euro.“
Zum Wettbewerb 2024 hatten rund 150 Kunsthandwerker*innen ihre Arbeiten eingereicht
und damit fast 50 mehr als im Vorjahr. Besonders ins Auge fällt der gestiegene Anteil
junger und erstmaliger Teilnehmer*innen. Diese positive Entwicklung betonte Detlef Braun,
Geschäftsführer der Messe Frankfurt, im Rahmen der festlichen Preisverleihung: „Das
deutsche Kunsthandhandwerk hat traditionell eine besondere Bedeutung für die Ambiente,
deren Aufgabe es unter anderem ist, den Facettenreichtum zeitgenössischer
Gestaltungskunst zu spiegeln. Daher freue ich mich sehr, dass sich das deutsche
Kunsthandwerk heute so vital und jung präsentiert.“ Insgesamt zeichnen sich die
nominierten Einreichungen durch ihre beeindruckend kontemporären Ansätze aus. Darin
überführen die Kunsthandwerker*innen aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit und
Entschleunigung in anspruchsvolle und poetische Arbeiten, die durch einen hohen
qualitativen und konzeptionellen Anspruch auffallen. In diesem Kontext setzt auch gerade
die jüngere Generation klare Statements und zeigt Werke, in denen sie dem technisierten
und schnelllebigen Lifestyle ihre große Wertschätzung für regionale Traditionen, Techniken
und Materialien entgegensetzt.
 
Die Jury des Hessischen Staatspreises 2024.
Die fünfköpfige Jury setzt sich aus Persönlichkeiten aus dem Bereich des
Kunsthandwerks und des Designs zusammen. Die Jurymitglieder 2024 sind:
• Alexandra Gerlach, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen
   und ländlichen Raum
• Dr. Sabine Wilp, Bundesverband Kunsthandwerk
• Prof. Matthias Wagner K, Museum Angewandte Kunst
• Britt Fröse, Handwerkskammer Wiesbaden
• Tischlerei Sommer, 1. Preisträger 2023